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Was die Apostelgeschichte über das Verstehen inmitten von Unterschiedlichkeit erzählt:Pfingsten, Babel und die Sache mit der Vielfalt

Beim Lesen der Pfingstgeschichte in der Apostelgeschichte fiel Michael Michels auf, das seine bisherigen Vorstellungen vom Pfingstfest ordentlich durcheinandergebracht wurden. Ein Impuls über göttliche Vielfalt, gelingendes Verstehen – und einen dringend nötigen Kontrast zu heutigen Abgrenzungstendenzen.
Eine Regenbogenfahne liegt auf einer Mauer
Datum:
1. Juni 2025
Von:
Michael Michels

Manchmal hilft es ja wirklich, einfach nochmal die Bibel aufzuschlagen, wenn man ein kirchliches Fest besser verstehen will.  Beim Lesen der Apostelgeschichte ist mir etwas aufgefallen, das meine bisherigen Vorstellungen ganz schön ins Wanken gebracht hat.

Lange Zeit hatte ich die Pfingstgeschichte als eine Art Gegenerzählung zur Geschichte vom Turmbau zu Babel verstanden. Damals: Die Menschen wollen sich selbst einen Namen machen, bauen einen Turm bis in den Himmel – Gott greift ein, verwirrt ihre Sprache, sie verstehen sich nicht mehr. Und dann an Pfingsten: Der Heilige Geist kommt, und auf wundersame Weise verstehen sich plötzlich alle wieder. Das klang für mich immer wie eine göttliche Rückabwicklung – Babel als Strafe, Pfingsten als Heilung.

Aber beim genaueren Lesen der Apostelgeschichte fällt etwas auf: Diese Rückabwicklung findet nicht statt. Die Menschen reden nicht plötzlich alle wieder dieselbe Sprache. Im Gegenteil – jede*r hört die Jünger in der eigenen Muttersprache sprechen. Die Sprachen bleiben also. Was sich verändert, ist nicht die Sprache, sondern das Verstehen.

Vielleicht war Babel gar keine Strafe. Vielleicht war die Vielfalt der Sprachen und Kulturen Teil des großen Plans. Vielleicht ist das Problem nicht die Unterschiedlichkeit, sondern unsere Unfähigkeit, sie als Reichtum zu sehen. Pfingsten erzählt dann nicht von der Rückkehr zur Einheit durch Gleichmacherei – sondern von einer neuen Einheit in Vielfalt.

Wer weiß, ob das tatsächlich so gedacht ist – den Gedanken finde ich persönlich jedenfalls sehr sympathisch. Und er stellt eine echte Herausforderung dar. Vor allem für die, die sich gerne als Verteidiger eines „christlichen Abendlandes“ inszenieren, deren Spitzenpolitiker (in diesem Fall Björn Höcke) aber von „Multikulti-Extremisten“ sprechen und die „Durchmischung der Bevölkerung mit Personengruppen anderer Hautfarbe“ fürchten.

Pfingsten erzählt für mich eine andere Geschichte: Nicht Abschottung, sondern Verstehen. Nicht Ausgrenzung, sondern Begegnung. Nicht Einheit durch Gleichheit, sondern durch den Geist, der Vielfalt möglich macht. Vielleicht ist genau das die Botschaft, die wir heute neu hören sollten.